IGF-1 (Insulin-like Growth Factor 1) ist ein peptidisches Hormon, das vor allem in Leber und Muskelgewebe synthetisiert wird. Es bindet an den IGF-1-Rezeptor (IGF-1R) und aktiviert intrazelluläre Signalwege, die Zellwachstum, -teilung und Überleben fördern.
Synthese & Regulation
Der größte Stimulus für die Leberproduktion von IGF-1 ist das Wachstumshormon (GH). Zusätzlich modulieren Nährstoffstatus, Glukosekonzentration, Insulin sowie bestimmte Zytokine und MikroRNAs die IGF-1-Expression.
Biologische Wirkungen
- Stimulation der Zellproliferation in Knochen, Muskel, Herz und Gehirn.
- Erhöhung der Proteinsynthese (anaboler Effekt).
- Schutz vor Apoptose durch Akt/PI3K-Signalweg.
- Modulation des Glukosestoffwechsels (insulinähnliche Wirkung).
Metabolisches Syndrom Oft erhöht, aber resistent Insulinresistenz ↔ „IGF-1-Resistenz" Lifestyle-Interventionen, Metformin, GLP-1-Agonisten
Kardiovaskuläre Erkrankungen Niedrig/hoch je nach Kontext Schutzmechanismen vs. proinflammatorische Effekte IGF-1-Therapien bei Myokardinfarkt (studienbedingt)
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Diagnostik
Serum-IGF-1 messen
- Referenzwerte sind alters- und geschlechtsabhängig.
- Bei erhöhtem GH kann IGF-1 als indirekter Marker zur Beurteilung der GH-Secretion verwendet werden.
IGF-1-Binding-Proteine (IGFBPs)
- IGFBP-3 ist der wichtigste Carrier; sein Verhältnis zu IGF-1 gibt Hinweise auf Bioverfügbarkeit.
- Bestimmung von IGFBP-4, -5 und -7 kann bei bestimmten Tumoren hilfreich sein.
Zusätzliche Tests
- GH-Stimulationstests (GHRH-Test) bei Verdacht auf GH-Schild oder Defizienz.
60 Jahre, männlich, Osteopenie Serum-IGF-1: 120 ng/ml (normal: 90–140) Teriparatid 20 µg/Tag; DEXA zeigt Zunahme um 4 % in 12 Monaten
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Zusammenfassung
IGF-1 ist ein zentrales Hormon für Wachstum, Metabolismus und Zellüberleben. Seine Dysregulation spielt eine Schlüsselrolle bei Endokrinopathien, metabolischen Syndromen, Knochenkrankheiten und einigen Tumoren. Die Messung von IGF-1 (inklusive IGFBPs) liefert diagnostische Klarheit; die Therapie richtet sich je nach Ursache – von GH-Blockade bis zu direkter IGF-1-Supplementierung. Aktuelle Forschung eröffnet neue therapeutische Ansätze, insbesondere im Bereich Onkologie und neurodegenerativer Erkrankungen.
Der insulinähnliche Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) ist ein zelluläres Signalprotein, das eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Zellwachstum, -teilung und Differenzierung spielt. Er gehört zur Familie der Insulin- und IGF-Liganden und wird hauptsächlich in der Leber als Reaktion auf Wachstumshormon (GH) produziert, kann aber auch an anderen Orten wie Muskeln, Knochen und dem zentralen Nervensystem synthetisiert werden.
Definition
IGF-1 ist ein 70-Dalton großes Protein, das aus einer 113-Aminosäure-Kette besteht. Es wird im Blut als komplexierte Form mit IGF-Binding-Proteinen (IGFBPs) transportiert, die seine Verfügbarkeit und biologische Aktivität regulieren. Die freie, nicht gebundene Form ist biologisch aktiv und bindet an den IGF-1-Rezeptor (IGF-1R), was eine Reihe von intrazellulären Signalwegen aktiviert.
Biosynthese und Regulation
Die Synthese von IGF-1 wird stark durch das Wachstumshormon gesteuert. GH bindet an seine Rezeptoren auf Hepatozyten, aktiviert die JAK/STAT-Signaltransduktion und führt zur Transkription des IGF-1-Gens. Zusätzlich regulieren Ernährung, körperliche Aktivität, Stress und Hormone wie Cortisol sowie lokale Faktoren die Produktion von IGF-1 in Geweben. IGFBPs, insbesondere IGFBP-3, halten einen Großteil des IGF-1 im Blut und schützen ihn vor Degradation.
Rezeptorbindung und Signaltransduktion
Der IGF-1R ist ein Heterodimer aus zwei alpha- und zwei beta-Untereinheiten, das bei Bindung von IGF-1 autophosphoryliert wird. Dies aktiviert die tyrosin-Kinase-Aktivität des Rezeptors und setzt eine Kaskade von Signalen frei: der MAPK/ERK-Weg fördert Zellproliferation, während der PI3K/Akt-Weg über den Akt (PKB) Zellüberleben, Wachstum und Glukosemetabolismus steuert. IGF-1 kann auch die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) modulieren, was Auswirkungen auf Energiestoffwechsel und Autophagie hat.
Physiologische Funktionen
Wachstum: IGF-1 ist entscheidend für das embryonale Wachstum und das postnatale Knochenwachstum. Mutationen im IGF-1-Gen führen zu Wachstumsdepressionen, während Überexpression zu einer beschleunigten Entwicklung führt.
Muskelregeneration: Es fördert die Proliferation von Myoblasten und die Differenzierung zu Muskelfasern. Bei Sportlern kann eine Erhöhung des IGF-1-Spiegels die Muskelmasse steigern.
Knochenmetabolismus: Osteoblasten reagieren auf IGF-1, was zur Knochenbildung beiträgt. Ein Mangel kann osteoporotische Zustände begünstigen.
Herz-Kreislauf-System: IGF-1 wirkt kardioprotektiv, indem es die Myokardzellüberleben fördert und die Reparatur nach Ischämie unterstützt.
Neuroprotektion: Im Gehirn schützt IGF-1 Neuronen vor Apoptose und unterstützt die Synaptogenese.
Pathologische Zustände
Überproduktion: Bei akromegalie führt ein erhöhtes GH-IGF-1-System zu Überwachstum von Knochen, Knorpel und Weichteilen. Tumore wie Osteosarkome können IGF-1 als Wachstumsfaktor nutzen.
Unterproduktion: In GH-Mangelpatienten ist der IGF-1-Spiegel niedrig, was zu Wachstumsverzögerungen führt. Therapie mit exogenem IGF-1 kann das Wachstum fördern.
Metabolische Syndrome: Chronisch erhöhte IGF-1-Aktivität wurde mit einer erhöhten Insulinresistenz in Verbindung gebracht. Gleichzeitig hat IGF-1 insulinähnliche Effekte und kann Glukoseaufnahme verbessern, was die Beziehung komplex macht.
Diagnostik
Der Serum-IGF-1 wird mittels ELISA oder radioimmunoassay gemessen. Da der Spiegel stark von Alter, Geschlecht, Ernährung und GH-Spiegel abhängt, werden Referenzbereiche nach Altersgruppen differenziert. Bei Verdacht auf GH-Sekretionsstörungen wird IGF-1 als stabiler Marker verwendet, weil GH-Waagen oft schwankend sind.
Therapeutische Nutzung
GH-Mangel: Subkutane GH-Injektionen erhöhen den IGF-1-Spiegel und normalisieren das Wachstum.
Krankheitsbedingte Wachstumsdepression (z. B. chronische Nierenkrankheit, Mukoviszidose) kann mit exogenem IGF-1 behandelt werden.
Rehabilitation: In der Sportmedizin wird IGF-1 zur Förderung der Muskelregeneration eingesetzt; jedoch ist die Zulassung und Kontrolle gesetzlich streng.
Nebenwirkungen und Risiken
Übermäßige Exposition kann zu Hyperinsulinämie, Diabetes oder sogar Tumorwachstum führen. Langfristige Studien sind notwendig, um das Risiko von Krebs bei chronischem IGF-1-Boost zu klären.
Aktuelle Forschung
Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer werden mit IGF-1-Therapien untersucht, da es neuroprotektive Effekte zeigt. In der Onkologie wird die Hemmung des IGF-1R als potenzielles Antikrebsziel evaluiert. Zudem erforscht man den Zusammenhang zwischen IGF-1 und Langlebigkeit, wobei niedrigere Spiegel in einigen Studien mit längerer Lebensdauer assoziiert sind.
Zusammenfassung
IGF-1 ist ein multifunktionales Protein, das durch das Wachstumshormon reguliert wird und wesentliche Rollen im Wachstum, Stoffwechsel, Muskel- und Knochenentwicklung sowie der Zellüberleben spielt. Seine genaue Steuerung ist entscheidend für normale Entwicklung und Gesundheit; Dysregulationen können zu Wachstumsstörungen, metabolischen Erkrankungen oder Tumorwachstum führen. Die therapeutische Manipulation von IGF-1 bietet Chancen in Endokrinologie, Sportmedizin und Neurowissenschaften, erfordert jedoch sorgfältige Risikoabwägung.